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Zu faul

Beim Stöbern durch alte Gedichte ist mir dieses ins Auge gefallen:

Wenn einer sagt,
du wärst nicht schön,
dann erwidere ihm,
er sei nur zu faul,
es zu sehen.

13.11.2003

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Eingeordnet unter Lyrik, Vergangenheitsnebel

Leerstellen und Brandmarken

Die Bilder sind fest eingebrannt in die geistige Festplatte. Und es sind nicht nur die Bilder. Es ist die geistige Unfähigkeit, mit einem Ereignis und dessen weitreichenden Folgen umzugehen, welche eine Notwendigkeit erzeugt, die eigenen Gedankenstrukturen für immer zu ändern. Der Terroranschlag am 11. September 2001 ist nun schon 10 Jahre und fast einen Monat her und er wird nicht mehr aus meinem Leben verschwinden. Aus unser aller Leben darf und kann er nicht verschwinden. Er ist wohl eines der Schlüsselereignisse des Anfangs des 21. Jahrhunderts. Er hat nicht nur die USA erschüttert, sondern die ganze Welt. Und die Schlussfolgerungen und Konsequenzen, die daraus gezogen wurden, werden weit in die Zukunft reichen. Nicht nur drei Kriege werden und wurden danach geführt. Ja, es ist richtig, von drei Kriegen zu reden. Zwei Länder wurden besetzt. Die Begründungen für beide Kriege haben sich immer mehr einer Plausibilität entzogen und wurden daher von denen, welche die Kriege wollten oder sich einem Zwang ausgesetzt sahen, diesem Wollen zu folgen, im Nachhinein maßgeblich gewandelt. Nun scheint auch der nachträglich vorgeschobene Einsatz für die Wahrung der Menschenrechte anhand der Opfer und unermesslichen Kosten aufgegeben werden zu müssen. Der dritte Krieg, dem die beiden ersten Kriege durch scheinbare Kausalzusammenhänge untergeordnet wurden, wird als „War on terror“ weiterhin geführt. Genau genommen ist es weiterer Weltkrieg oder besser gesagt ein globaler Krieg. Schließlich interessiert sich der Terror nicht für Ländergrenzen – sie sind auf der einen Seite nur noch lästiges Hindernis, das zur Gewährleistung der verdeckten Operation auf geschickte weise überwunden werden muss und auf der anderen Seite dienen sie zur vagen, simplifizierten Abgrenzung von Freund und Feind. Dadurch wird auch die Bekämpfung des Terrors global geführt und geführt werden. Das heißt nicht nur durch Zusammenarbeit und Solidarität von Staaten, sondern auch bis hinein in unser innerstes, persönliches Dasein, unsere Rechte und Werte. Es ist ein Krieg, der uns alle zu Betroffenen macht und daher war auch der Terroranschlag ein Schlag gegen jeden von uns.
Umso mehr folgt dem ersten Schock des Miterlebens der unvorstellbaren Tat ein zweiter Schock, wenn Zweifel aufkommen, dass die Geschichten, die uns allen erzählt wurden, in allen Details stimmen können. Nachdem ich einmal auf diese Zweifel gestoßen war, die im Grunde schon am 11. September selbst begannen, dann lassen sie einen nicht mehr los. Vor allem deswegen nicht, weil man – wohl ein charakteristisches Merkmal der heutigen Zeit – auf die Bekundungen Fremder angewiesen ist, wenn man für sich klären will, wie man die Zweifel stillen kann. Ein Weg ist das Verdrängen, das Zurückstecken, das „Einfach-weiter-so“. Dies mag eine Option sein, doch mein Streben befriedigt sie nicht. Es mag temporär funktionieren, doch dann kehren die Fragen zurück. Das Problem ist, dass man nicht wissen kann, welche Informationen die richtigen sind und Informationen gibt es tatsächlich im Übermaß. Schnell landet man im Bereich dessen, was, meist nicht ohne negativen Unterton, als Verschwörungstheorie bezeichnet wird. Natürlich kann für jedes Ereignis auch immer eine Alternativerklärung gebastelt werden, deren Argumentation eventuell gezielt bestimmte Menschen beziehungsweise Menschengruppen diffamiert und auf reinen Hirngespinsten aufbaut. Es ist auch klar, dass mit dem Schüren solcher Theorien gerne Geld verdient wird und manche Urheber bewusst Informationen fälschen oder in falschen Zusammenhängen präsentieren. Und es macht die Sache nicht leichter. Denn auf der anderen Seite stehen zahlreiche Experten verschiedener wissenschaftlicher Gebiete, die den offiziellen Report zu den Ereignissen am 11. September in einigen Punkt anzweifeln. Natürlich können auch hier Motive wie Geltungssucht, Verärgerung oder Anderes eine Rolle spielen. Des Weiteren gibt es Wissenschaftler, welche einigen Behauptungen entgegentreten und die offiziellen Untersuchungen unterstützen. Doch viele Fragen bleiben in meinen Augen unbeantwortet oder die gegeben Antworten scheinen mir teilweise unplausibel, was denn inneren Widerstreit in mir nicht enden lässt.
Ich will keine Spekulationen anstellen, welche Auswirkungen es hätte, wenn die Behauptungen einiger Skeptiker richtig wären. Es gibt viele Möglichkeiten, wie es auch hätte sein können. Immerhin hat sich bisher gezeigt, dass zumindest viele Ereignisse zusammen kamen, damit die Ereignisse so geschehen konnten, wie sie sich ereignet haben. Auch das ist nicht ungewöhnlich bei Abläufen so enormen Ausmaßes. Vielleicht ist es auch eben diese Unfassbarkeit des Erlebten, die Wucht der Bilder, welche die Zweifel in einem wachsen lassen. Im Grunde sind alle möglichen Theorien über diesen Tag unbegreiflich und unglaublich, weil jede einen an den Abgrund des durch Menschen verursachten Horrors führt. Sicherlich ist es ein bedeutender Unterschied, wer verantwortlich zu machen ist. Doch wie soll dies geklärt werden, wenn bereits ein ausladender Expertenstreit entfacht wurde und es teilweise auch eine Frage des Glauben geworden scheint, welcher Seite man sich eher anschließt. Schließlich stellt sich in diesem Fall ein weiteres Mal die große Herausforderung des Nichtwissens und vielleicht ebenso des Nichtwissenkönnens.

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