Diese kleine Geschichte ist inspiriert von den Beiträgen Märchenwald vom Blog Klapperhorn und Potpourri vom Blog Spontanvernunft. Und natürlich auch von Greta Thunberg. Und last but not least sei meine Frau genannt. Müsste ich eigentlich eh so gut wie immer. ;)
Es war an einem sonnigen Sommerabend als ich mittem im Wald diese knorrige, kleine Holzbank entdeckte. Sie stand so einladend da, von der langsam untergehenden Sonne in ein zauberhaftes, güldenes Licht getaucht.
Zwar wunderte ich mich ein wenig, dass ich diese Bank auf keinem meiner bisherigen Spaziergänge entdeckt hatte, aber der Wald hier war durchzogen von einem Geflecht aus kleinen Wegchen. Ich musste bisher immer anders abgebogen sein.
Da ich nichts gegen eine kurze Rast einzuwenden hatte, ließ ich mich auf dem Bänchen nieder. Sogleich spürte ich eine wundersame Wirkung. Als würde eine unsichtbare Last von mir abfallen, trat ein Gefühl unglaublicher Entspannung ein. Ob es einfach an der Schönheit des Moments lag; an der mystischen Stimmung des Ortes; an den wohltunden Strahlen der Abendsonne? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall erfüllte mich eine innere Ruhe und ich merkte, wie ich unweigerlich in einen Dämmerzustand rutschte, der in einen ruhigen Schlaf überging.
Allerdings kann der Schlaf nicht lang gewesen sein, denn als ich wieder erwachte, hatte sich am Stand der Sonne nur wenig geändert und noch immer war die Bank von flirrender, goldner Luft umhüllt. Ich blinzelte und hielt nach dem hellen Stimmchen Ausschau, das mich geweckt hatte.
Von irgendwoher rief es:
„Du, hey du!“
Doch ich konnte niemand entdecken.
„Hier unten! Helf mir mal hoch.“
Verdutzt blickte ich auf den Boden und entdeckte schließlich die winzige Person neben einem Ahornsamen. Kaum größer als ein Grashalm stand sie da und winkte mir zu.
Ich streckte meine rechte Hand zu ihr aus, sodass sie bequem auf meine Handfläche steigen konnte.
„Stell mich auf deine Schulter, dann bin ich näher an deinem Ohr und muss nicht so schreien!“
Es war kein Befehl, den sie vortrug. Es war eine bestimmte Bitte einer selbstvertrauten, in sich ruhenden Persönlichkeit, die man nur schwer ausschlagen konnte. Ich wollte es aber auch gar nicht. Viel zu gespannt war ich darauf, zu erfahren, was sie mir zu sagen hatte. Zu sehr hatte mich ihr Wesen sofort in ihren Bann gezogen. Also formte ich meine Hand vorsichtig zu einer Schüssel und ihre feinen Finger kitzelten sacht, als sie sich an meinen Daumen klammerte.
„So sollte es gehen. Kannst loslegen.“
Ich traute mich kaum zu reden, da ich mir vorstellte, wie empfindlich so kleine Öhrchen sein mussten. Daher flüsterte ich nur ein zaghaftes „Ok“ und hob sie langsam auf meine linke Schulter.
„Du bist wohl eher einer von der ruhigen Sorte, hm?“
„Ich bin nur sehr…“, setzte ich an, doch sie blabberte unbeindruckt weiter:
„Das macht auch gar nichts, denn im Grunde musst du nur gut zuhören können. Traust du dir das zu, ja? Ja? Bei euch Menschen weiß man ja nie so recht, wie es mit dem Zuhören bestellt ist.“
Ich nickte ihr zu und schon setzte sie zur nächsten Redeattacke an:
„Gut, also wollen wir mal. Da wir uns ja gerade quasi die Hand geben: Hallo, ich bin Kejuani, Botschafterin des Volks der Katosch.“
Meine Hand war nun an der Schulter angekommen und Kejuani stieg ab. Ich musterte sie nun etwas genauer. Im Grunde sah sie aus wie ein Mensch, nur unglaublich klein.
„Ich bin Max.“, sagte ich flüsternd und sie lächelte:
„Aus dem Schoß der Kolschose?“
„Was?“
„Ach egal, das ist aus einem Lied. Ich dachte, ich zeig mal meine Kentnisse in Menschenkunde.“
„Ach daaas. Ja, das ist ja uralt.“
„Wie unsere Schulbücher. Aber mein Deutsch ist OK, oder? Verstehst du mich?“
„Dein Deutsch ist einwandfrei!“
„Danke. Ich hatte eine gute Lehrerin. Sie hatte immer so lustige Ideen. Hach. Egal. Jetzt aber mal zum Wesentlichen. Wir müssen reden.“
„Wir?“
„Ja, wir. Menschen und Katosch. Du und ich. Wir haben nämlich ein Problem.“
„Ja?“
„Ein großes Problem. Wir haben unzählige Forscher darauf angesetzt, wir haben es gedreht und gewendet. Wir haben alles versucht aber…“
Sie stockte verlegen.
„Aber was?“
„Ihr seid das Problem.“
„Wer, wir?“
„Ja ihr, ihr Menschen. Also nicht ihr direkt. Aber euer Handeln in den letzten Jarhunderten. Ihr wisst es doch eigentlich selbst. Aber ihr macht nichts dagegen.“
Ich schaute sie fragend an, was auf so kurze Distanz und mit verdrehtem Kopf ganz schön schwierig war.
„Na den Klimawandel; all diese Umweltzerstörung. Wir dachten zuerst, wir würden uns verrechnen. Oder hätten was übersehen. Aber alle unsere Daten kamen zu dem einen Schluss. Und du musst wissen, wir haben sehr gute und gewissenhafte Forscher. Es ist einfach nicht abzustreiten: Ihr Menschen habt großen Einfluss auf den Klimawandel. Nur wollt ihr es nicht wahrhaben.“
„Na ja, doch. Zumindest die meisten Menschen wissen das, glaube ich, schon. Aber es ist nicht so einfach, weißt du…?“
„Nein, einfach ist es gewiss nicht. Das wissen wir auch. Aber ihr Menschen, ihr seid doch erfinderisch. Lasst euch was einfallen, bitte!“
„Ich verstehe dich, aber ich glaube, ich bin der falsche Ansprechpartner dafür, was kann ich schon tun, als einfacher Mensch?“
Kejuani setzt sich hin und seufzte.
„Das höre ich oft. Du bist ja nicht der erste Mensch, mit dem ich rede. Und ja, wir haben uns das anfangs auch gedacht. Wir sind so klein. Kaum ein Mensch wusste bisher überhaupt von uns. Was sollen wir schon ausrichten? Aber wir haben uns gesagt: Irgendwo muss man halt anfangen. Deshalb gibt es jetzt auf der ganzen Welt Botschafterinnen und Botschafter wie mich. Das ist unsere Hoffnung.“
Ich blickte nachdenklich zum Boden.
„Im Grunde ist es ja nicht schwer zu begreifen. Wenn ihr so weitermacht, dann werdet ihr irgendwann keine Existenzgrundlage mehr haben und selbst ausgelöscht. Und uns betrifft das genau wie euch. Aber wenn wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dann können wir es vielleicht noch schaffen und diese Welt retten.“
Noch immer schwieg ich. Ich wusste ihr einfach nichts entgegenzusetzen.
„Versprich mir einfach, dass du die Botschaft weiter in die Welt tragen wirst; dass du das tun wirst, was in deiner Macht steht. Wenn immer mehr Menschen die Botschaft verbreiten und leben, dann können irgendwann auch die Regierungen und Griskonzerne es nicht mehr ignorieren. Versprichst du es mir?“
„Ja.“, sagte ich leise.
Sie stand auf und kramte in ihrer Gürteltasche. Dann zog sie einen funkelnden, kleinen blauen Edelstein in der Form eines Wassertropfens heraus.
„Hier, ein Kristall aus einer unseren Werkstätten. Er ist eurer Welt vermutlich nicht viel wert. Aber vielleicht wird er dich an dein Versprechen erinnern.“
Vorsichtig nahm ich das winzige Geschenk an mich und bestaunte, wie es in der Sonne glitzerte. Dann schlug ich den Stein in ein Taschentuch und steckte ihn in meine Hosentasche.
„Danke!“
„Ich danke dir, du warst mir ein angenehmer Zuhörer und ich habe noch mehr Hoffnung durch unser Gespräch gefunden. Aber nun muss ich weiter.“
Ich streckte ihr wieder meine Hand hin, sie kletterte hinein und so brachte ich sie zurück zum Boden. Kaum hatte ich sie abgesetzt, merkte ich wieder Müdigkeit in mir aufsteigen. Ich flüsterte ihr noch ein Lebewohl zu, das sie winkend erwiderte, dann tauchte ich auch schon in die Tiefen des Schlafes.
Abermals war es nur ein kurzer Schlaf. Als ich aufwachte, war von Kejuani nichts mehr zusehen. Ich dachte mir, es war wohl doch nur ein Traum und schüttelte mich. Ich sammelte meine Gedanken und Kräfte, dann stand ich von der Bank auf.
Das Licht hatte sich inzwischen verändert. Nun wirkte die Bank gar nicht mehr so mystisch. Eine schöne, aber gewöhnliche Bank im Wald. Einer Stelle, wie es viele im Wald gibt. Ich musste mir das alles einfach eingebildet haben. Vermutlich hatte ich mir in der Abendsonne einen Sonnenstich eingefangen. Das musste es sein.
Während ich noch darüber nachdachte, glitt meine Hand in meine Hosentasche und fand ein gefaltetes, sauberes Taschentuch. Ich holte es heraus. Mein Herz schlug schneller. Ich faltete es vorsichtig auf. Da war er. Der kleine, blaue Stein.
© Hannes Hartl, 20.-25. Februar 2019