Stehen und warten

Seit ein paar Jahren verfolge ich American Football und das Spiel zieht mich immer mehr in den Bann. Dabei faszinieren mich nicht das pure Aufeinanderprallen von Muskelbergen oder das aufgespielte Gehabe mancher Spieler, sondern die strategischen Finessen hinter dem Getummel.

Sei es, wie es sei. Auf dem Weg zur Super-Bowl-Party schickte mir meine Frau eine kleine Vorlage, aus der folgender Text entstanden ist:

American Football hat viel mit einer winterlichen Heimfahrt im Bummelzug gemeinsam. Es besteht viel aus Stehen und Warten. Warten auf ein bestimmtes Signal. Vor einem dampft der Atem in der kalten Luft. Man ist froh über die schützende Kopfbedeckung. Die Anspannung steigt. Man darf die Linie nicht zu früh übertreten. Das würde böse bestraft. Dann geht’s los. Große Action für ein paar Meter. Dann wieder ein Stopp. Ein paar Leute raus; andere rein. Zug für Zug übers Feld.
Das Sagen hat der Mensch mit Pfeife und Mütze. Der schaut auch, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
Man muss wissen, wo man hin will; sich Strategien zurechtlegen. Doch die großen Pläne wurden von Akteuren im Hintergrund ausgetüftelt. Die sagen an, wo es lang geht. Da kommt’s sehr auf’s Timing an; auf die richtige Abstimmung. Und wenn’s da hapert, dann wird man zum machtlosen Spielball, der nicht pünktlich am Ziel ankommt; der hart auf dem Boden der Tatsachen landet.
Dann muss man noch mehr stehen und warten.

American-Football-Spieler mit Ball.

Da gehen einem die motivierenden Worte der Liebsten durch den Kopf. Du erinnerst dich an die süßen Küsse, die stürmische Begrüßung, wenn man es geschafft hat. Das gibt neuen Mut. Jetzt bloß nicht aufgeben. Es sind doch nur noch wenige Meter bis zur Ziellinie. Ruhe bewahren; Kräfte sammeln. Lass dir was einfallen. Zur Not geht immer noch: Kopf runter und einfach laufen. Da hörst du dann nicht auf dein lädiertes Knie. Die paar Schritte muss es halten.
Und dann flutscht es plötzlich. Alles klappt. In deinem Kopf ein Freudenfeuerwerk. Mit einem Hechtsprung fliegst du über die magische Schwelle. Zeit für’s Konfetti.

© Hannes Hartl, 04. Februar 2019

12 Kommentare

Eingeordnet unter Impressionen, Liebesschnipsel

12 Antworten zu “Stehen und warten

  1. Ich konnte dem Sport lange nichts abgewinnen, bis wir damals im Sportunterricht Flag-Football gespielt haben. Dabei trägt man einen Klettgürtel an dem Tücher hängen und anstelle eines Tackelns versucht man die Tücher abzureißen. Das fand ich tatsächlich echt interessant.

    • Bei mir kam die Anfangsfaszination auch über das spielen. Mein Fehler: Ich hab gleich beim Tackle-Football angefangen und mir nach 3 Monaten im Training das Kreuzband gerissen. Danach hab ich es bleiben lassen. Teilweise war es meine Schuld, weil ich übereifrig war. Andererseits wurden mir die Grundlagen auch nicht richtig vermittelt.
      Flag wäre vermutlich schlauer gewesen.
      Jetzt spiel ich noch mit meinen Kids ab und zu Fangen und Werfen. Der Ball und das Fangen hat einfach seine eigene Magie, finde ich. ;)

  2. Mir fehlt auch der Bezug zum American Football. Dieses Flagfootball habe ich auhc mal gespielt, das war ganz witzig. Aber du gibst auch einen schönen Einblick darein, worum es bei dem Sport geht. Erinnert mich an meine Zeiten bei anderen Ballsportarten :-D

    • Danke. Der Sport macht es einem aber auch verdammt schwer. ;)
      Für mich hat es sich aber gelohnt, mehr und mehr hinter die Kulissen zu schauen. Das öffnet eine ganz neue Welt. Eine verrückte Welt, zugegeben. Aber wahnsinnig spannend.

  3. Lieber Hannes, ich mag American Football auch. Irgendwie warte ich, das komplette Spiel, nur auf diesen einen magischen Moment. Entweder passiert’s oder es passiert auch nicht…aber eine freudige Anspannung begleitet mich daurch, durch das ganze Spiel. Bis es zum Touchdown kommt, dann macht sich Erleichterung breit :-)…Dein Beitrag fand ich super. LG Tete

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